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Bunt, weniger bunt oder schwarz-weiß?

Die unterschiedlichen Arten von Farbsinnstörungen

Unsere Welt ist bunt, zumindest für die meisten von uns. Wir können eine Million unterschiedliche Farben wahrnehmen, wenn unsere drei Zapfenarten richtig funktionieren. Hierbei handelt es sich um Fotorezeptoren in unserer Netzhaut, die Farbinformationen umwandeln und an unser Gehirn senden. Wir Menschen verfügen normalerweise über drei verschiedene Arten von Zapfen und gehören damit biologisch zu den Trichromaten (griechisch: tri- dreifach und chroma „Farbe“).

Bei manchen Menschen ist jedoch eine Zapfenart gestört oder fehlt sogar ganz. Dies beeinträchtigt die Farbwahrnehmung und wird als „Farbsinnstörung“1 bezeichnet. Farbsinnstörungen sind weit verbreitet: Weltweit sind etwa 8 Prozent der Männer und 0,5 Prozent2 der Frauen betroffen. Das normale menschliche Farbsehen, die Trichromasie, ermöglicht uns durch das fehlerfreie Zusammenspiel unserer drei Zapfentypen das Erkennen vieler brillanter Farben. Weniger farbenfroh wird es dagegen, wenn eine Zapfenart gestört ist oder fehlt: die Zahl der wahrnehmbaren Farbkombinationen nimmt dann deutlich ab. Die meisten Menschen mit Farbsinnstörung sind Männer. Die Gene für das Farbsehen liegen auf dem X-Chromosom. Hiervon haben Männer bekanntlich nur eines, Frauen dagegen zwei, so dass sie im Gegensatz zu Männern Farbsinnstörungen über das zweite X-Chromosom kompensieren können.

Viele wissen nicht, dass es unterschiedliche Formen von Farbsinnstörungen gibt. Die Einteilung kann auf unterschiedliche Weise stattfinden. Farbsinnstörungen können entweder angeboren (kongenital) auftreten oder im Laufe des Lebens durch Erkrankungen oder Medikamenteneinnahmen erworben sein. Die häufigste Art der angeborenen Farbsinnstörungen sind Farbverwechslungsstörungen (Anomalien), bei denen zwar grundsätzlich alle drei Zapfentypen vorhanden sind, aber die Farbwahrnehmung zweier Zapfen zu ähnlich ist, so dass Farben schlecht voneinander unterschieden werden können. Fehlt eine Zapfenart komplett (Dyschromatopsie), so kann die entsprechende Farbe nicht wahrgenommen werden und Betroffene sehen in diesem Farbspektrum „unbunt“ bzw. „grau“. Liegt eine komplette Farbenblindheit (Achromatopsie) vor, so können Betroffene keine Farben, sondern nur Hell-Dunkel-Kontraste wahrnehmen.

Wir haben die wichtigsten Störungen nachfolgend zusammengestellt:

Rot-Grün-Störung

Die häufigste Farbsinnstörung ist die Rot-Grün-Schwäche. Darunter versteht man eine Reihe von Störungen, die sich in ähnlicher Weise auf das Sehen auswirken: 

  • Eine verminderte Rotempfindlichkeit aufgrund fehlender oder defekter L-Zapfen (Rotzapfen mit Wahrnehmungsmaximum im langwelligen Bereich) wird in der Fachsprache als Protanopie bzw. Protanomalie bezeichnet;
  • Eine verminderte Grünempfindlichkeit aufgrund fehlender oder defekter M-Zapfen (Grünzapfen mit Wahrnehmungsmaximum im mittelwelligen Bereich) wird als Deuteranopie bzw. Deuteranomalie bezeichnet.

Beide Störungen erschweren die Unterscheidung zwischen Rot-, Grün- und Orangetönen oder machen sie gar unmöglich. Blau- und Gelbtöne treten dagegen meist stärker hervor.

Blau-Gelb-Störung

Das Fehlen oder die Störung der S-Zapfen (Blauzapfen mit Wahrnehmungsmaximum im kurzwelligen Bereich) oder ihre Störung wird als Tritanopie oder Tritanomalie bezeichnet. Beide sind selten und betreffen nur einen unter 30-50.000 Menschen3. Die Fähigkeit, einige Blau- und Grüntönen sowie einige Gelbtönen und Violett zu unterscheiden, ist beeinträchtigt. Eine erworbene Blau-Gelb-Sehschwäche kann als Folge von häufigen Augenerkrankungen wie Katarakt (grauer Star), Glaukom (grüner Star), altersbedingter Makuladegeneration oder diabetischer Netzhauterkrankung auftreten.

Völlige Farbenblindheit

Menschen, die völlig farbenblind sind, erleben die Welt nur in Schwarz und Weiß, sie können keine Farben wahrnehmen. Die Ursache für diese so genannte Monochromasie oder Achromatopsie liegt in nicht funktionierenden oder fehlenden Zapfen. Eine völlige Farbenblindheit ist jedoch sehr selten und tritt nur bei etwa einem von 33.000 Menschen auf4. Durch den Ausfall der Zapfen ist bei den Betroffenen nicht nur das Farbensehen eingeschränkt, sondern auch die Fähigkeit, „scharf“ zu sehen. Die Sehleistung ist stark herabgesetzt (<10%). Die Betroffenen leiden zusätzlich unter Lichtempfindlichkeit (Photophobie) und häufig unter unkontrolliertem „Augenzittern“ (Nystagmus).

Obwohl es inzwischen spezielle Brillengläser für Farbfehlsichtige gibt, sind Farbsinnstörungen in der Regel nicht heilbar. Hast Du das Gefühl, dass Du oder jemand in Deiner Familie Farben schlecht oder gar nicht unterscheiden kann? Dann mach einen Termin bei Deinem Augenarzt. Sie oder er kann Dein Farbensehen mit verschiedenen etablierten Tests (z.B. Ishihara-Tafeln6 oder Farblegetests) überprüfen. Unterstützung finden Betroffene auf der Homepage (achromatopsie.de).

Ist der Teppich puderbeige oder eierschalfarben? Passt er zum bernsteinbraunen Sofa mit den flachsgelben Kissen? Wenn du als Frau sogar das Gefühl hast, Farben differenzierter wahrzunehmen als andere, dann bist du vielleicht eine der wenigen Frauen, die über einen weiteren, vierten Zapfentyp verfügen. Das nennt man Tetrachromasie7. Wenn das der Fall ist, kannst Du die Welt viel bunter und in hundertmal mehr Farben sehen als der Rest von uns. Auch hier kann dir dein Augenspezialist oder deine Augenspezialistin mit einem Test Gewissheit verschaffen.

[1] https://www.colourblindawareness.org/

2 About Colour Blindness - Colour Blind Awareness

3 Types of Colour Blindness - Colour Blind Awareness

4 Types of Color Blindness - All About Vision

5 https://www.colourblindawareness.org/colour-blindness/

6 https://www.colour-blindness.com/colour-blindness-tests/ishihara-colour-test-plates/

7 https://www.bbc.com/future/article/20140905-the-women-with-super-human-vision

Viele interessante Informationen zum Thema gibt es auch auf der Website von EnChroma®. Auch auf der Ratgeberseite DocCheck Flexikon erfährt man eine Menge über die Farbsinnstörung.

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